Bild: Wikimedia Commons/STephan Kambor
Die Leonhardskirche in Stuttgart ist die zweitälteste Kirchengründung in der Altstadt Stuttgarts.
"Hier haben sie mir zu essen gegeben,
sie haben mir geholfen,
sie haben mich Würde spüren lassen!"
Diese drei Sätze vergesse ich nicht. Eine junge Frau hat sie gesagt. Nach einem Gottesdienst in dieser Kirche. Die Leonhardskirche ist die erste Vesperkirche in Deutschland. Jeden Winter öffnet sie ihre Türen für Menschen, die Bedürfnisse haben ganz verschiedener Art. Dann können Menschen hier an Leib und Seele satt werden. Sie sind Gäste hier. Bei Gott und bei Menschen.
"Hier haben sie mir zu essen gegeben,
sie haben mir geholfen,
sie haben mich Würde spüren lassen."
Die junge Frau, die diese Worte spricht, hat damals im Rotlicht-Milieu nahe dieser Kirche gearbeitet. Sie hat hier eine Zeitlang Herberge für Leib und Seele gefunden. Das adventliche Licht, das auf dem Altar im Gottesdienst leuchtet, auch während des Essens, hat sie angezogen. Der Segen im Gottesdienst hat ihr neue Kraft geschenkt.
Sie hat etwas vom Advent, von der Ankunft Gottes, erlebt. Wo Menschen satt werden, eine Zuhause finden, Würde erfahren – da kommt Gott an. Dass Gott ankommt und ankommen will bei uns, das ist die große Hoffnung nicht nur für die Menschen der Vesperkirche, sondern auch für die Aktion "Brot für die Welt".
"Brot für die Welt" ist eine Adventsaktion. Sie lebt aus der Verheißung, dass Gott kommt und wir seinen Weg bereiten dürfen. Davon erzählt das Lukasevangelium. Wir hören die Worte, die wir vorhin schon gemeinsam gebetet haben:
"Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk…. Sein Licht geht bei uns auf.
Und du, Kindlein, wirst Prophet des Höchsten heißen.
Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest. …
Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen
das aufgehende Licht aus der Höhe,
damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes,
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens."
Hunger nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Erlösung, ein Licht in der Finsternis: Diese Worte drücken für mich aus, was Advent ist. Gott kommt in seine Welt. Die Sehnsucht nach Erlösung, nach Zukunft soll erfüllt werden. Hoffnung wird wach! Dass es endlich hell wird für alle Menschen, die im Dunkeln sitzen, die von Tod bedroht sind mitten im Leben.
Diese Hoffnung wirkt auch in mir. Sie lässt mich einstimmen in diese wunderbare Bitte für Sie und für mich: "Richte unsere Füße aus auf den Weg des Friedens." Lass uns Wege des Friedens erkennen und sie gemeinsam gehen. Dem ankommenden Gott entgegen.
"Hier haben sie mir zu essen gegeben,
sie haben mir geholfen,
sie haben mich Würde spüren lassen!"
Diese junge Frau hat etwas vom heilsamen Advent, von Gottes Kommen gespürt: dass die Verhältnisse nicht so bleiben müssen, wie sie sind – nicht in ihrem eigenen Leben, nicht auf dieser Welt.
Seit 60 Jahren geben Menschen durch "Brot für die Welt" Zeichen der Hoffnung weiter. Die Botschaft ist: Bedrückende Verhältnisse können verändert werden.
Gottes Besuch leuchtet die Ecken und Enden unseres Lebens und dieser Welt aus.
Da werden Schatten des Todes erst sichtbar: Die Ungerechtigkeit der Lebensverhältnisse, der Hunger und die Gewalt werden deutlich. Das Elend vieler Menschen in dieser Welt, das kleingeredet wird, kommt laut zur Sprache. Gottes angekündigter Besuch in diese Welt wird Menschen aufrichten und befreien aus ihrer Not. Im Advent heißt es: Menschen haben Grund zur Hoffnung. Gottes Licht kommt in Jesus Christus.
Lieber Herr Gonsalves – Sie sind Partner von Brot für die Welt. Wie haben Sie schon
erlebt, dass Menschen neu aufgerichtet werden, Würde und Sprache erhalten? Wo
leuchten Zeichen der Hoffnung heute schon auf?
Ja, wenn ich das höre, dann ist das ein Licht des Advents. Menschen, die aufgerichtet werden, die Würde geschenkt bekommen, die Sprache finden, wenn ihr Hunger nach Gerechtigkeit laut werden kann. Ja, die adventliche Hoffnung sucht Zeichen der Barmherzigkeit in dieser Welt. Sie schaut aus nach dem Licht des Weihnachtsfestes, das aufleuchtet auch für die, die in Finsternis sitzen und Schatten des Todes spüren. Wir suchen nach dem Licht – für die, die einsam sind in diesen Tagen. Die, die wenig Mut haben. Die, die dabei sind, aufzugeben.
Wir suchen nach dem Licht für die Welt – auch hier in unserem Land. Damit keiner im Dunkeln bleibt.
Vor einigen Jahren hat uns ein afrikanischer Bischof in Stuttgart besucht. Es war in der Zeit der Vesperkirche. Wir sind miteinander hingegangen. "So muss Kirche sein", hat er gerufen, als wir den Raum betreten hatten. So muss Kirche sein, adventliche Kirche: dass hier Menschen etwas von der Wärme Gottes spüren, sein Licht sehen, wieder Hoffnung und Würde bekommen. Gott kommt zu uns, mitten hinein ins Leben. In unsere Sorgen und Freuden, in unsere Schuld und Erlösungssuche. In diesem Leben öffnet Gott Wege in eine bessere Zukunft.
Deshalb ist "Brot für die Welt" eine Adventsbewegung. Die Dinge sollen neu werden. In der Erwartung von Jesus Christus, der sich an Weihnachten unter uns mischt. Und uns ermutigt: Nichts muss so bleiben, wie es ist – die Zerstörung unserer Welt, der Hunger und die Armut, die Ausbeutung und Unterdrückung, die Flucht und das Ertrinken, die Gewalt und der Betrug. Gott will das ändern. Gott will wirken.
Auch durch und mit uns. Weil wir Empfangende sind, können wir auch weitergeben: Licht, Hoffnung, Tatkraft, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Verantwortung, Erfindergeist, Protest, Schutz. Ja, alles nur im menschlichen Maß, im Bruchstück. Es schmerzt, wenn nach 60 Jahren "Brot für die Welt" immer noch so unendlich viele hungrig sind, so viele gefangen in Leid und Krieg, so viele geknechtet durch großes Unrecht. Und doch: Gut, dass es Brot für die Welt gibt! Es ist ein Zeichen der Hoffnung an vielen Orten!
Darum geben wir das Licht weiter, das auch heute Hoffnung macht, im Großen und im Kleinen an vielen verschiedenen Orten: als ein Vorschein, mit dem Blick auf die
Vollendung, dass einst alles anders sein wird. Dann wird aller Hunger gestillt und die
Gerechtigkeit im Licht des ewigen Gottes aufstrahlen. Bis dahin aber beten und sammeln wir für "Brot für die Welt", damit Menschen geholfen wird.
"Hier haben sie mir zu essen gegeben,
sie haben mir geholfen,
sie haben mich Würde spüren lassen."
Amen.
Die Spendenaktion von "Brot für die Welt" erfolgt zum 60. Mal
Im Advent 1959 wird der erste Spendenaufruf unter dem Motto "Brot für die Welt" gestartet. Darin heißt es: "Menschen hungern nach Brot! Wer darüber hinwegzusehen versucht, versündigt sich." Angesichts des großen Erfolgs wird am 12. Dezember 1959 die Organisation "Brot für die Welt" gegründet.
In den 1960er Jahren stehen die Prinzipien der Arbeit fest, die bis heute gültig sind. Selbst nach dem Mauerbau 1961 werden sowohl in der BRD wie auch in der DDR weiter Spenden für Hungerleidende gesammelt.
Im Jahr 1973 öffnet mit Unterstützung von "Brot für die Welt" der erste Weltladen in Stuttgart. Er verkauft Produkte aus dem fairen Handel und informiert zugleich über ausbeuterische Handelstätigkeiten gegenüber den Ländern des Südens.
Ab dem Jahr 2000 wird Lobbyarbeit auch für Hilfswerke immer wichtiger. "Brot für die Welt" will damit in der Politik Einfluss nehmen, um Entscheidungen im Sinne der Armen zu erwirken.
Im Jahr 2012 fusioniert das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zum Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Damit sollen die nationale Sozialarbeit und die internationale Entwicklungsarbeit besser verzahnt und die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit verstärkt werden.