Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus

Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus
Kundgebung in München wegen Überfüllung abgebrochen
Die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus haben sich am Wochenende zu einer massiven Protestwelle ausgeweitet. Die Kundgebung in München musste wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen werden - der Andrang der Menschen war zu groß.

In Deutschland sind am Wochenende Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. In München musste eine Kundgebung wegen Überfüllung abgebrochen worden. Die Polizei teilte mit, sie könne nicht mehr für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen. Die Veranstalter sprachen von bis zu 250.000 Teilnehmern. Wie in München kamen auch in zahlreichen anderen Städten deutlich mehr Menschen zu den Kundgebungen als erwartet. In Bremen zählte die Polizei am Sonntag mehr als 40.000 Menschen, in Köln bezeichnete die Polizei die von den Veranstaltern genannte Teilnehmerzahl von 70.000 als "nicht unrealistisch".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte das Engagement der Demonstranten. "Diese Menschen machen uns allen Mut", sagte er in einer am Sonntag veröffentlichten Videobotschaft. "Sie verteidigen unsere Republik und unser Grundgesetz gegen seine Feinde. Sie verteidigen unsere Menschlichkeit."

In Frankfurt am Main, wo die Polizei am Samstag rund 35.000 Menschen zählte, musste der Bereich der Kundgebung vom Marktplatz Römer auf die umliegenden Straßen und Plätze ausgeweitet werden. Ebenfalls etwa 35.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Hannover. In Dortmund protestierten etwa 30.000, in Karlsruhe und Stuttgart jeweils 20.000, in Heidelberg 18.000 und in Kassel 15.000 Menschen. Für den späten Sonntagnachmittag war auch in Berlin eine Demonstration geplant.

Auslöser der Protestwelle war eine "Correctiv"-Recherche über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November. Dabei wurde über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen.

""Das, was ihr hier zeigt, ist gelebter Verfassungsschutz", rief der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Protestierenden in Hannover zu. Die AfD und die Rechtsextremen verschöben die Grenzen des Sag- und Denkbaren nach rechts. "Migrantinnen und Migranten, seien sie kurz hier oder auch in der vierten Generation, sie alle sind Teil unserer Gemeinschaft", unterstrich Weil.

Der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister sagte, es sei wichtig, die Demokratie zu verteidigen und sich für sie einzusetzen. Wer dagegen anderen Menschen Rechte abspreche, vom völkischen Mythos fasele und das Parlament zur "Pöbelstube" mache, sei ein "demokratischer Verräter". In Frankfurt betonte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD): "Wir vertreiben keine Menschen, wir heißen sie willkommen."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die bundesweiten Demonstrationen. "Es stimmt mich sehr positiv, dass so viele Menschen in den vergangenen Tagen für die Demokratie auf die Straße gegangen sind", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Die Demokratie werde angegriffen und stehe vor großen Herausforderungen. "Wir müssen sie aktiv verteidigen", mahnte Faeser.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wertete die Proteste als "ermutigendes Zeichen für die Demokratie". "Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen", sagte der Wirtschaftsminister der "Augsburger Allgemeinen" (Montag).

Der Extremismusforscher Andreas Zick sieht in den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus eine Stärkung der Demokratie. Dass die Kirchen, Richter und die Unternehmen, die länger still gewesen seien, nun die Proteste begleiteten, zeige zudem, dass dies kein Strohfeuer sei, sagte Zick am Sonntag in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sei der Versuch, die Brandmauer gegen Extremismus und Populismus wieder zu kitten.