Der Geist sprüht, wo er will

Der Geist sprüht, wo er will

Wir Citykirche-Leute sind ein komisches Volk, das schrieb ich bereits einmal. Was tun wir nicht alles, um die Leute z.B. in der Fußgängerzone zu überraschen, zum Nachdenken zu bringen, vielleicht sogar ins Gespräch zu kommen mit ihnen.

Großen Respekt habe ich vor einer Aktion der Katholischen Citykirche Wuppertal. Die haben im Jahr 2009 einfach mal was völlig Neues gewagt. Grob gesagt: Sie stellten ein Bauzaun-Dreieck auf, machten eine Holzwand darauf und sagten einem offenbar nicht gerade unbegabten Sprayer: „Los, mach mal! Soll ne Krippe werden.“

Sonst sind Sprayer ja eher eine lästige Begleiterscheinung des Stadtlebens. Manchmal bekommen sie auch Wände zu Verfügung gestellt, an denen sie mehr oder weniger gnadenhalber ihre Kunstwerke anbringen dürfen, ohne gleich wegen Sachbeschädigung angezeigt zu werden. Ganz wenige Sprayer schaffen es aus der Untergrund-Szene zu wirklicher Bekanntheit. Fast ein bisschen wie bei den Hirten, damals, an Weihnachten: So richtig gehören sie nicht dazu.

Hier aber: Zusammen mit dem Sprayer Martin „Megx“ Heuwold entwickelte mein Kollege Dr. Werner Kleine ein Konzept. Das Schöne am Sprayen: Man kann auch drüber sprayen. So kann sich das Bild auch weiter entwickeln. Das Jesuskind am Schluss hineingesprayt (schreibt man das so?) werden. Die Hirten durch die Könige ersetzt werden. In der ganzen Adventszeit entwickelte sich die Graffitti-Krippe weiter und wurde mehr und mehr zu einem Anziehungspunkt.

Klar, dass es im nächsten Jahr größer weiter ging. Im übernächsten Jahr noch größer. Aus drei wurden acht Wände, dann ein begehbares Weihnachtsgeschenk („für euch alle von Papa“), aus einem Sprayer wurden drei, die zunächst eher klassischen Motive wurden poppiger, mutiger, moderner.

Nach fünf Jahren Graffitti-Krippe hat die Citykirche Wuppertal nun ein kleines Büchlein herausgebracht mit dem bescheidenen Titel „Graffitti-Krippe 2009 bis 2013“. Es zeigt nicht nur Fotos von jeder Krippe, sondern beschreibt mit einfühlsamen Worten auch die Gedanken, die zur jeweiligen Darstellung geführt haben. Und diese allein sind schon lesenswert, eine kleine Auslegung der Bilder und eine Art Weihnachtspredigt.

Ich finde: Eine tolle Aktion. Bin schon gespannt, was sie für 2014 geplant haben.

www.katholische-citykirche-wuppertal.de

Werner Kleine (Herausgeber), Christoph Schönbach (Fotograf): Graffiti Krippe 2009 bis 2013, Taschenbuch: 72 Seiten, Theophilus Verlag (November 2014), ISBN: 978-3-9455-2400-8, 25,95 €

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